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TV-Fachmann nach Leichtathletik-Weltmeisterschaft: "Wir sind auf dem Weg, Leistung abzubauen!"

Berlin - Frank Busemann (48) sieht die Gründe für das deutsche Fiasko bei der Leichtathletik-WM in Budapest unter anderem in einer mangelnden Leistungskultur. "Wir befinden uns in einer tiefgreifenden gesellschaftlichen Krise, die sich auch im Sport bemerkbar macht. Seit Jahren befinden wir uns auf dem Weg, Leistung abzubauen", konstatierte der ehemalige Zehnkämpfer und aktuelle ARD-Fachmann in einem Interview mit "Focus online".

"Wir berücksichtigen ständig das schwächste Mitglied der Gruppe", kritisierte der 48-Jährige, der 1996 Olympiasilber in Atlanta errang. Beim WM-Turnier in Ungarn errang das deutsche Team keine Medaille.

"Grundsätzlich war diese Entwicklung vorhersehbar. Unsere Medaillengewinne nehmen seit Jahren ab. Daher war diese Entwicklung unvermeidlich", merkte Busemann an.

"Auf dem Papier geht es um Medaillen. Es ist zwar großartig, wenn jemand seine Bestleistung erbringt und auf Platz 14 landet, aber dies erregt nicht das Interesse der breiten Masse." Deutschland sei auf dem Papier "ein Zwerg".

Laut Busemann ist ein Neustart unbedingt erforderlich. "Wir müssen bei Null anfangen und neue Generationen formen. Das erfordert einen enormen Kraftaufwand. Sport muss einen Wert haben, es ist die schönste Nebensache der Welt, die die Menschen begeistert", sagte er.

Das Zusammenspiel zwischen Elite- und Breitensport ist dabei entscheidend: "Ohne Grundlage kein Leistungssport – und ohne Leistungssport keine Grundlage", sagte Busemann, der ebenso eine Verbesserung der Strukturen, sowohl infrastrukturell als auch finanziell, verlangte.

Die Niederlande und Norwegen könnten als Vorbilder dienen, da sie vieles richtig machen. Busemann wies in dem Interview auch auf die USA hin: "Das amerikanische System ist leistungsorientiert. Dort zahlt sich Leistung aus – wer gut ist, erhält ein Stipendium und neben dem Sport eine hervorragende Berufsausbildung", sagte er.