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Ex-Nationalspielerin übt harte Kritik am DFB: "Fühlte mich wie in einer Art surrealem Film"

Australien - Über eine Woche nach dem historischen Scheitern der deutschen Mannschaft in der Vorrunde der Frauen-WM in Australien und Neuseeland, bleibt die enttäuschende Niederlage unausgelöscht. Der DFB hat eine "Untersuchung" des Zwischenfalls angekündigt, jedoch keine personellen Veränderungen vorgenommen. Dies stößt bei der ehemaligen Nationalspielerin Tabea Kemme (31) auf Unverständnis.

Während vielerorts die sofortige Arbeitsplatzgarantie für Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg (55) nach dem Ausscheiden infrage gestellt wird, geht Kemme noch einen Schritt weiter: Sie kritisiert die gesamte Führung des DFB!

Die 47-fache Nationalspielerin, die ihre Karriere wegen einer Knieverletzung vorzeitig beenden musste, arbeitet mittlerweile als TV-Expertin. Sie war in Australien dabei und hat live mitverfolgt, wie Deutschland nach einem hervorragenden Start gegen Marokko schließlich unterging.

Kemmes Kritik, die sie in ihrer Kolumne bei t-online äußert, bezieht sich konkret darauf: Ihrer Meinung nach verpasst der DFB wieder einmal die Chance, eine tiefgründige Analyse der gesamten Strukturen durchzuführen, anstelle lediglich das missglückte Turnier kurzfristig zu untersuchen.

Tabea Kemme: "Die Furcht vor einem Verlust an Macht ist immens"

"Wo ist der Präsident, der die Mängel ans Licht bringt und transparent darlegt, welche Missstände aufgearbeitet werden müssen?", fragt die ehemalige Verteidigungsspielerin. Es fehle an Professionalisierung der Liga, ein Punkt, den sie bereits vor der WM in einem Interview kritisiert hatte.

Die Olympiasiegerin von 2016 ist sich sicher: Ohne externe Impulse ist kein Fortschritt möglich. Aber anstatt auf Kritik und Vorschläge von außerhalb zu reagieren, lehnt der DFB diese ab. Innen besteht kein Wunsch nach Veränderung: "Die Angst vor einem Machtverlust ist bei den Verantwortlichen zu groß."

Darüber hinaus mangelt es im Team des DFB an Menschen, die sich trauen, Probleme öffentlich anzusprechen.

Almuth Schult (32) ist eine solche Spielerin, die Kemme auch in einer Rolle beim DFB sehen könnte. Doch die Torhüterin befindet sich derzeit lediglich in der Babypause, ihre Karriere hat sie noch nicht beendet.

Der DFB bittet die Spielerinnen, sich öffentlich nicht kritisch zu äußern!

Kemme gibt jedoch nicht nur dem Team die Schuld für das Schweigen zu kritischen Themen. Sie sagt, der Verband selbst würde den Ton angeben und bestimmen, was gesagt und was nicht gesagt werden darf!

"Es gibt Spielerinnen, die etwas sagen würden, aber von der internen Presseabteilung des DFB zurückgehalten werden", enthüllt die 31-Jährige. Es sei "nicht erwünscht, dass ich als Spielerin mitgestalte, Mängel aufdecke und für gesellschaftliche Werte wie Gleichberechtigung eintrete".

Das sind schwere Anschuldigungen gegen den Verband! Aber das ist noch nicht alles: "Wem beim DFB soll ich eigentlich noch etwas glauben? Wo ist die absolute Transparenz? Wie positioniert sich der hoch verschuldete, größte Weltverband für die Zukunft? Während der WM habe ich mich in Bezug auf den DFB oft wie in einem surrealen Film gefühlt."

Viele der Kritikpunkte sind nicht neu und wurden bereits im Zusammenhang mit der schlechten Leistung der Männer-Nationalmannschaft thematisiert. Wird sich nun, vor dem Hintergrund, dass sowohl das Männer- als auch das Frauenteam weit hinter ihren eigenen Ansprüchen zurückbleiben, endlich etwas ändern?