Reform-Chaos beim DFB: Ist Watzkes Kritik nur unwissendes Gerede?
Essen/Frankfurt am Main - DFB-Vizepräsident Hans-Joachim Watzke (64) hat kürzlich mit einer unverblümten Schmährede gegen die Abschaffung des Leistungsprinzips im Jugendfußball für hitzige Debatten gesorgt. Seine Aussagen decken jedoch auch bedeutende Abstimmungsschwierigkeiten innerhalb des deutschen Fußballführungszirkels auf.
Während seiner Rede auf dem DUP-Unternehmertag in Essen äußerte sich der BVB-Geschäftsführer teils vehement gegen eine beabsichtigte Reform, die das Ende von Ranglisten in den Altersgruppen U6 bis U11 vorsieht.
Laut Watzke sei dieser Ansatz "unverständlich", "unbegreiflich" und "grundsätzlich fehlgeleitet". "Als nächstes spielen wir ohne Ball. Oder wir formen ihn quadratisch, damit er den etwas langsameren Jugendlichen nicht mehr davonläuft", kommentierte der 64-Jährige zynisch und kündigte eine vollständige Kehrtwende in Bezug auf das Thema an.
Ex-Nationalspieler wie Thomas Helmer (58), Dietmar Hamann (50) und Stefan Effenberg (55) stimmten bereits vor dieser umfassenden Kritik zu. Der langjährige Funktionär legte also offenbar nur seinen Finger in die bereits bestehende Wunde.
Intern wurde Watzkes Aktion beim Deutschen Fußball-Bund allerdings ganz anders bewertet. DFB-Direktor Hannes Wolf (42) hatte sein Konzept bereits vor etwa zwei Wochen in der Talkshow "Doppelpass" ausführlich dargelegt, sah sich jedoch genötigt, eine beschwichtigende Stellungnahme abzugeben.
Hannes Wolf verspricht Beibehaltung des Leistungsprinzips im Kinderfußball
"Aus gegebenem Anlass", so die verbreitete DFB-Mitteilung. Offenbar wollte man den Namen Vizepräsident Watzke nicht explizit nennen.
"In den neuen Spielformen im Kinder- und Jugendsport wird Leistung gefordert und fördert das direkte Feedback durch Gewinnen und Verlieren", wiederholte Wolf den Plan in der Erklärung.
Es wird weiterhin mit Toren und Ergebnissen gearbeitet, nur das Feedback-System und die Teamgrößen werden geändert. "Früher gab es Tabellen, jetzt wechselt man vom linken Feld zum rechten Feld", so der 42-Jährige.
In anderen Spitzenländern sei das hierzulande für die Saison 2024/25 vorgesehene System bereits etabliert und führe zu deutlich mehr "fußballrelevanten" Aktionen.
"Wenn die Engländer bis zum Alter von 10 Jahren 2 gegen 2 spielen und wir 6 gegen 6, dann hat jeder einzelne von ihnen zehnmal so viel gedribbelt wie einer von uns", ergänzt Wolf weiter.
Von einem weggelassenen Leistungsprinzip ist in der detaillierten Darstellung nichts zu bemerken, daher scheint Watzkes Kritik vollständig an der DFB-Wirklichkeit vorbeizuzielen.
Rudi Völler und Bernd Neuendorf weisen Hans-Joachim Watzke zurecht
Das wird auch durch die weiteren Reaktionen aus der Direktion auf die Rede klar.
DFB-Präsident Bernd Neuendorf (62) war "erstaunt" über die Worte seines Kollegen. Die Reform wurde "2022 nach einer mehrjährigen Testphase mit enger Einbeziehung der DFL vom DFB-Bundestag in Bonn einstimmig verabschiedet", so eine weitere Aussendung.
"Vor der Entscheidung des Bundestages gab es nicht einmal den Wunsch nach einer Diskussion. Wir sollten daher unsere eigenen Beschlüsse respektieren und das, was viele Experten ausdrücklich befürworten, jetzt auch umsetzen", äußerte sich Neuendorf.
Auch DFB-Sportdirektor Rudi Völler (63) verteidigte die geplanten Trainings- und Wettkampfformen im Podcast "Spielmacher". Es wurde kritisiert, "dass bei den Sechs-, Sieben-, Achtjährigen die Resultate abgeschafft wurden. Aber dass es in anderen Ländern schon seit Jahren so ist, das wusste dann wieder kein Mensch", sagte der ehemalige Stürmer.
U21-Nationaltrainer Antonio Di Salvo (44) glaubt hingegen an ein "Missverständnis" bei den Kritikern: "Die Reformen betonen stark, dass es ums Gewinnen und Verlieren geht. In jeder Aktion und in jedem Spiel", bekräftigte der Trainer nach dem 2:0-Sieg gegen die Ukraine am Freitagabend.
Es ist beunruhigend, dass der ausgearbeitete Plan anscheinend nicht vollständig zu Watzke, dem Vizepräsidenten des Verbandes, durchgedrungen ist. Dies erscheint insgesamt bedenklicher als die von ihm befürchtete Reform.