"Alle machen es": Skisprung-Olympiasieger gesteht Betrug ein
Oslo (Norwegen) – Ursprünglich hatten die Verantwortlichen im norwegischen Skisprung-Betrugsskandal eingeräumt, lediglich die zwei Anzüge manipuliert zu haben, mit denen sie auch ertappt wurden. Nun melden sich aber mehrere ehemalige norwegische Stars zu Wort und geben zu, ebenfalls betrogen zu haben!
Einer dieser Schwergewichte ist Daniel-André Tande (31), der 2018 als Teil des Teams Olympiasieger wurde und im letzten Herbst seine aktive Karriere beendete.
Der viermalige Weltmeister im Skiflug vertritt die Ansicht, dass das Manipulieren der Ausrüstung zum Skispringen dazugehört. „Alle machen es“, erklärte der 31-Jährige im Gespräch mit dem norwegischen NRK.
Auch an sich selbst bemängelt er kein Fehlverhalten: „Ja, ich würde sogar behaupten, dass ich das schon mehrfach praktiziert habe.“
Tande fand Rückhalt bei Anders Jacobsen (40), Gewinner der Vierschanzentournee 2007, sowie beim heute bei NRK tätigen Experten Remen Evensen (39).
„Das ist ein starkes Wort. Betrug. Aber ich kann nicht ehrlich behaupten, dass ich darauf verzichtet habe“, meinte Jacobsen. „Wenn Betrug per Definition heißt, einen etwas zu großen Anzug zu tragen, dann muss man bei mir ebenfalls mit Betrug rechnen.“
Skispringen: Norwegische Ex-Stars sprechen von einer Kultur des Betrugs
Evensen äußerte sich ähnlich: Er habe mehrfach bewusst in übergroßen Anzügen gesprungen, ohne jedoch disqualifiziert zu werden.
Das Grundprinzip sei schon immer gewesen: Wer nicht erwischt wurde, habe nicht betrogen – und das gelte weltweit, es sei kein ausschließlich norwegisches Problem. Vielmehr handle es sich um eine Kultur des Betrugs, die vom Weltverband FIS toleriert werde, indem beispielsweise Anzüge trotz bekannter Manipulationsmethoden nicht ausreichend kontrolliert würden.
Laut den drei Norwegern umfasst das Spektrum der Betrugsvarianten nicht nur übergroße Anzüge, sondern auch versteifte Nähte, zu lange Skier, manipulierte Unterwäsche und illegale Schuhe.
Tande berichtete sogar, dass er einmal mit einem zu luftdichten Anzug an den Start gegangen sei. Kurz vor dem Wettkampf wurden mithilfe einer Perforationsmaschine winzige Löcher in den Anzug gestochen, sodass alle erforderlichen Tests bestanden wurden. Er sei nicht entdeckt worden, da er nach der ersten Runde auf einen regelkonformen Anzug umgestiegen sei.
In der Zwischenzeit hat die FIS erste Maßnahmen ergriffen: Beim am Donnerstag startenden Raw Air ist es nun vorgeschrieben, dass jeder Springer nur noch einen einzigen Anzug verwenden darf. Dieser wird über Nacht sicher verschlossen aufbewahrt und erst etwa eine halbe Stunde vor Wettkampfbeginn an die Athleten ausgegeben.
Ob diese Maßnahme ausreicht, um künftig weiteren Betrug zu verhindern, wird von den drei ehemaligen Springern jedoch bezweifelt.