Experten analysieren: Warum Olympia der Wirtschaft mehr schadet als nützt
Von Christof Rührmair
München – Bis Sonntag stimmen die Münchner im Bürgerentscheid darüber ab, ob ihre Stadt sich für die Olympischen Spiele bewerben soll. Im Diskurs über dieses Vorhaben beziehen sowohl Befürworter als auch Kritiker wirtschaftliche Auswirkungen in ihre Argumentation mit ein. Was lässt sich davon realistisch erwarten?
Keine nachhaltigen wirtschaftlichen Effekte: Laut Klaus Wohlrabe vom Münchner Ifo-Institut zeigen Untersuchungen bei großen Sportveranstaltungen überwiegend nur geringe und kurzzeitige Auswirkungen.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin bewertet die Effekte ebenfalls zurückhaltend: „Die gesamtwirtschaftlichen Effekte sind meist begrenzt und werden häufig überschätzt“, so die Einschätzung. Zudem seien sie selten von Dauer.
Auch Oliver Holtemöller vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) stellt fest: „Olympische Spiele führen in der Regel nicht zu nennenswerten gesamtwirtschaftlichen Impulsen.“ Zwar locken sie Sporttouristen an, doch verdrängen diese oft andere Besucher, etwa durch höhere Preise. Außerdem stehen Mehrausgaben für die Spiele Einsparungen in anderen Bereichen gegenüber.
Kostenprognosen sind oft unrealistisch: Das DIW weist darauf hin, dass die geplanten Budgets historisch betrachtet kaum eingehalten werden – nahezu alle Spiele haben die ursprünglich veranschlagten Kosten deutlich überschritten. Auch beim IWH heißt es, Sport-Großveranstaltungen würden vorab häufig zu günstig kalkuliert, und Wohlrabe ergänzt: „Es ist realistisch, dass Olympia heute deutlich teurer wird als zunächst angenommen.“
Er nennt zwei Hauptgründe: Erstens würden Kostenschätzungen oftmals absichtlich niedrig gehalten, um die politische und öffentliche Akzeptanz zu sichern. Zweitens sei es generell schwierig, Ausgaben für ein Ereignis, das in der Zukunft liegt, präzise vorherzusagen.
Keine Lösung für das Wohnungsproblem in München: Laut DIW können Olympische Dörfer zwar langfristig Wohnraum schaffen, jedoch führen sie häufig zu stark steigenden Mieten und Immobilienpreisen, was soziale Probleme begünstigt.
Wohlrabe vom Ifo verweist auf Studien, die belegen, dass die Errichtung von Stadien und Infrastruktur die Immobilienpreise beeinflusst. Kurzfristig steigen Mieten und Preise durch erhöhte Nachfrage, gleichzeitig werden Wohnungen dem Markt entzogen. „Das führt zu einer Verknappung des Wohnraums, was in Städten wie München ein ernstes Problem darstellt.“ In wirtschaftlich schwächeren Regionen könnten die Spiele zwar das Wohnungsangebot verbessern, allerdings drohen auch dort Gentrifizierung und steigende Preise.
Breidenbach vom RWI betont, dass olympische Dörfer viel Fläche benötigen, die zuvor nicht verfügbar war. „Die Bewältigung der aktuellen Wohnraumknappheit lässt sich daher nicht durch Olympische Spiele lösen.“
Eine entscheidende Rolle spielt die Nachnutzung: Der entstehende Wohnraum sollte weder exklusiv und teuer noch monoton gestaltet sein. „Ansonsten drohen soziale Brennpunkte.“
Finanzielle Belastung für die öffentliche Hand: „In den meisten Fällen übersteigen die Ausgaben die zusätzlichen Einnahmen“, erklärt das IWH. Das DIW warnt vor hohen Kosten „mit häufigen Budgetüberschreitungen und einer langfristigen Verschuldung“.
Beim Ifo zeigt man sich etwas optimistischer: In Deutschland seien geringere Investitionen in Stadien und Infrastruktur nötig, sagt Wohlrabe. Notwendige Maßnahmen, wie Verbesserungen im öffentlichen Nahverkehr, könnten sich langfristig auszahlen. Dennoch erwartet er rein finanziell gesehen einen negativen Effekt.
Rentiert sich eine Olympiabewerbung aus wirtschaftlicher Sicht? Wohlrabe meint, wirtschaftlich gesehen lohne sich eine Austragung der Spiele für das Gastgeberland meist nicht im engeren Sinne. „Politisch, gesellschaftlich und symbolisch kann sie jedoch wertvoll sein.“
Das IWH ergänzt: „Es kommt auf die Umstände an.“ Gelingt es, dauerhaft nutzbare und nachhaltige Strukturen zu schaffen, wie beispielsweise in Barcelona oder Salt Lake City, könnten langfristig positive Effekte überwiegen. „Das ist jedoch eher die Ausnahme.“
„Sportveranstaltungen allein sind kein Allheilmittel zur Überwindung wirtschaftlicher Schwächen“, sagt Breidenbach vom RWI.