Deutscher Leichtathlet offenbart Suizidgedanken: „Fast bereit, die Welt zu verlassen“
Tokio (Japan) – Vor vier Jahren sicherte sich der deutsche Geher Jonathan Hilbert (30) überraschend die Silbermedaille bei den Olympischen Spielen in Tokio. Anschließend zog er sich nahezu vollständig vom Wettkampfsport zurück. Nun feierte er bei der Leichtathletik-WM am selben Ort mit Platz 16 sein Comeback. Für ihn fühlt sich dieses Resultat fast wie ein Sieg an – nach dem Wettkampf gewährte er einen tiefen Einblick in sein inneres Ringen.
„Die vergangenen Jahre waren von zahlreichen schweren, dunklen Momenten geprägt, Tagen, an denen ich keinen Lebenswillen mehr verspürte“, gestand Hilbert offen im Interview mit der Sportschau.
Nach seinem größten Erfolg bei den Olympischen Spielen wurde seine Spezialdisziplin, der 50-Kilometer-Gehen, gestrichen. Er selbst geriet in eine Krise, weil er mit der neuen 35-Kilometer-Strecke nicht zurechtkam.
Hilbert berichtete, dass er sich minderwertig fühlte und glaubte, weder als Sportler noch als Mensch zu genügen. Er sei „fast so weit gewesen, die Erde zu verlassen“.
Schließlich suchte er professionelle Unterstützung bei einem Therapeuten, begann mit einem neuen Trainer sowie einem anderen Umfeld einen Neuanfang und hat durch intensive Arbeit jetzt wieder die Kraft, nach vorne zu blicken.
„Für mich ist es keine Selbstverständlichkeit, heute hier am Start zu stehen“, betonte Hilbert.
In Tokio schließt sich für ihn nun ein bedeutender Kreis: „An dem Ort zurückzukehren, an dem ich die Silbermedaille erhielt, ist einfach unglaublich und fast magisch. Hier kann ich abschließen, Frieden finden und optimistisch in die Zukunft blicken.“
Seine Offenheit bezüglich seiner Erkrankung dient auch dem Ziel, Menschen in ähnlichen Situationen Mut zu machen. Seine Botschaft lautet: Es lohnt sich, schwere Zeiten durchzustehen.
„Kämpft! Jeder, der solche Schwierigkeiten hat, soll nicht aufgeben! Das Leben ist wertvoll und es lohnt sich“, appellierte der 30-Jährige. „Es geht immer weiter, und vor zwei oder drei Jahren hätte ich mir nie vorstellen können, wieder im Leistungssport aktiv zu sein. Dass ich jetzt hier stehe, zeigt, dass man auch schwierige Phasen überwinden kann.“
Hilbert selbst ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür: In drei Wochen wird er seine langjährige Partnerin Anna heiraten, die ihn auch in den dunkelsten Momenten begleitet hat.
Wer selbst von suizidalen Gedanken betroffen ist, findet rund um die Uhr und anonym Hilfe bei der Telefonseelsorge. Die Nummern lauten: 0800 111 0 111, 0800 111 0 222 oder 0800 111 0 116 123.