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Union-Berlin-Blog: Ein 100-Millionen-Investor und die Reduzierung der Stadionkapazität

Berlin – Eisern: TAG24 präsentiert den Union-Berlin-Blog, verfasst von drei echten Ur-Berlinern und eingefleischten Fußballfans.

Das Autorenteam:

Icke (Jürgen Heinemann) ist seit Mitte der 1970er Jahre treuer Union-Fan. Als Betriebswirt arbeitet er seit über drei Jahrzehnten im Vertrieb, ist verheiratet und Vater eines erwachsenen Kindes. Heute lebt er in Grünheide und ist der Gründer dieses Blogs.

Unionfux (Tobias Saalfeld) ist schon seit mehr als 40 Jahren Unioner und selbstständig tätig für Bühne, Funk und Fernsehen, wo er ebenfalls schreibt.

Beecke (Christian Beeck) war Bundesliga-Profi bei Hansa Rostock und Cottbus, früher Manager bei Union und bestritt 21 Länderspiele für DDR-Junioren. Er stammt aus dem eigenen Nachwuchs von Union und hat zwei Kinder. Im Blog berät Beecke das Team.

Icke: Auf den ersten Blick scheinen die beiden aktuellen Themen – der Investor mit Millionenbeteiligung und die Verkleinerung der Stadionkapazität – nichts miteinander zu tun zu haben. Doch bei genauerem Hinsehen sind sie entscheidend für die Zukunft von Union. Leider sorgt nur eine kleine Gruppe in Internetforen für den größten Wirbel.

Wer das persönliche, sachliche Gespräch sucht – so wie ich – erkennt schnell, dass die Entscheidungen von Präsidium und Aufsichtsrat nahezu alternativlos sind.

Die Quintessenz lautet: Unter den derzeitigen Bedingungen wurden beide Beschlüsse zum Wohle des Vereins gefällt. Sie bringen uns aktuell Vorteile, und genau das zählt.

Was ist ein Investor eigentlich? Er stellt dem Verein meist eine größere Geldsumme zur Verfügung, wofür Partnerbedingungen vereinbart werden. Der Investor profitiert dabei von der Marke und dem Image des Clubs. Der 1. FC Union rangiert in Deutschland bei Beliebtheitswerten auf Platz 7 und bei der Mitgliederzahl (über 70.000) auf Rang 9. Hinzu kommen zahlreiche sympathische Geschichten rund um den Verein – wie die Aktion „Bluten für Union“, der Stadionbau durch Fans, das Weihnachtssingen und vieles mehr, die deutschlandweit bekannt sind.

Auch die Teilnahme an europäischen Wettbewerben in der jüngeren Vergangenheit steigert die Attraktivität für große Geldgeber. So können Investoren mit Union ihre Reichweite und Sichtbarkeit erheblich erhöhen. Das Investment von Paramount ist ein typisches Beispiel. Manche mögen einwenden, Paramount sei doch nur Sponsor gewesen. Doch jeder Sponsor ist auch eine Art Investor. Entscheidend sind die Vertragsbedingungen. Ob Sponsor- oder Investorenleistungen angeboten werden, ist dabei fast zweitrangig.

Beim Aushandeln der Verträge darf man unserem erfahrenen Vorsitzenden Dirk Zingler Vertrauen schenken. Er gehört zu den besten Fußballvereinsleitern, nicht nur in Deutschland. Andere Clubs würden ihn gern an ihrer Spitze sehen. Grundsätzlich ist ein Investor eine Bereicherung, vorausgesetzt die Bedingungen stimmen. Wenn die Konditionen günstiger sind als bei einer Bank, umso besser.

Das zweite Thema betrifft die Verringerung der Stadionkapazität zugunsten zusätzlicher Sitzplätze. Die Stadt Berlin macht dabei erneut keine gute Figur: Man gibt sich als großer Olympia-Anwärter und investiert Millionen, schafft es aber nicht, für die eigene Infrastruktur und das fußballerische Aushängeschild, den 1. FC Union, die nötigen Voraussetzungen zu schaffen. Diese Absurdität lässt uns nur noch mit einem müden Lächeln zurück.

Für uns bleibt keine Zeit für endlose Diskussionen mit der Stadt. Wir wollen und müssen endlich bauen. Verzögerungen bringen nur steigende Kosten mit sich. Deshalb ist es wichtig, die bestmögliche Lösung für den Verein zu finden – und die scheinen Zingler und sein Team entdeckt zu haben.

Der Bauplan bleibt grundsätzlich bestehen: Das Stadion wird wie geplant errichtet, allerdings mit mehr Sitzplätzen. Das vermindert die Gesamtkapazität, da pro Sitzplatz zwei Stehplätze wegfallen. Das neue Stadion wird somit für 34.500 Zuschauer ausgelegt sein, statt bislang 40.500. Die Aufteilung beträgt 18.800 Steh- und 15.700 Sitzplätze. Ich persönlich halte dieses Verhältnis für optimal. Im Vergleich zu anderen Bundesliga-Stadien gehören wir damit weiterhin zu den Spitzenreitern bei der Stehplatzzahl.

Warum überhaupt diese Veränderung? Die Berliner Landesregierung stellt nach über acht Jahren Diskussion fest, dass die Infrastruktur in Köpenick so eine Kapazität nicht zulässt. Selbst der Vorschlag von Union, auf eigene Kosten einen Bus-Shuttle einzurichten, wurde abgelehnt. Und diese Regierung möchte Olympia ausrichten – lächerlich!

Persönlich fand ich die 8.000 Sitzplätze in der ursprünglichen 40.000er-Planung für zu wenig, aber dass die Berliner Politik keine Lösungen mit dem Verein findet oder finden will, ist unsportlich und zeigt deutlich, wie es um diese Regierung bestellt ist. Unsere Aufgabe ist es, die Interessen von 1. FC Union zu vertreten und das tun wir. Daher ist die jetzt vorgeschlagene Lösung für uns die beste.

Natürlich besteht die Möglichkeit, Sitz- und Stehplätze später wieder anzupassen – sofern der Senat seine grundlegendsten Aufgaben endlich wahrnimmt. Eisern.

Unionfux: Zunächst das Positive: Wir haben „nur“ einen Punkt verloren, denn ein Auswärtssieg bei Bayer Leverkusen war heute nicht realistisch. Immerhin haben wir eine Blamage vermieden, und Bayer musste sogar mehr halten als unser Torwart Rönnow. Bei Schüssen von Jeong, Köhn und Khedira zeigte Bayer-Schlussmann Flekken sein Können.

Allerdings haben wir dem Gegner das Leben viel zu leicht gemacht: Das erste Tor fiel nach etwa 30 Minuten nach einem katastrophalen Fehlpass von Leite im Mittelfeld, der einen Bayer-Konter einleitete. Die Bayer-Abwehr war unsortiert, Aleix Garcia spielte auf Vazquez, der Poku bediente – fast hätte Rönnow den Schuss gehalten, doch der Ball ging rein. Kurz nach der Pause ließ unser dänischer Torwart den nachsetzenden Kofane unbemerkt, spielte ihm den Ball fast direkt in den Fuß, und der Leverkusener Stürmer konnte so leicht zum 2:0 einschieben. Ein Geschenk und ein Fehler, aber kein großer Vorwurf, denn Freddy hat uns oft genug gerettet. Fehler passieren, gerade bei unserem defensiv unsicheren Passspiel.

Danach war das Spiel im Großen und Ganzen gelaufen. Bayer konnte ohne Druck spielen und erzeugte zwischenzeitlich hohen Druck. Wir hatten Glück bei einem Abseitstor und am rechten Pfosten, und Rönnow parierte noch einmal gegen Tillman aus kurzer Distanz. Zum Glück nutzte Bayer seine Überlegenheit nicht voll aus. Offensiv waren wir zu ungenau, unser Passspiel und die Ballannahmen häufig fehlerhaft, wodurch wir keine zwei oder drei Tore erzielen können.

Zusammengefasst: Bayer spielte flüssig, wir fanden kaum ins Spiel und verloren klar, ohne eine Katastrophe zu erleben. Leverkusen ist eine Klasse besser, und mit unserer heutigen Leistung holen wir gegen kaum ein Bundesligateam Punkte. Das ist kein kompletter Reinfall, sondern eher Mitspielen trotz deutlicher Unterlegenheit.

Von dieser Auswärtsniederlage dürfen wir uns schnell erholen und uns auf das nächste Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach konzentrieren. Dort müssen wir punktgenau auftreten. Und jetzt kommt erstmal die Länderspielpause. Hatten wir die nicht gerade erst?

Icke: Sensation? Der 1. FC Union bestreitet ein ganz normales Samstagsnachmittagsspiel in Leverkusen, Anstoß um 15:30 Uhr. Beim letzten Spiel in Leipzig erreichten wir ein beachtliches 0:0. Das wäre wohl wieder das Ziel aller Unioner. Die Bilanz (6 Niederlagen, 5 Unentschieden, 1 Sieg) bietet noch viel Luft nach oben. Leverkusen mit Trainer Kasper Hjulmand ist im Aufwind. Der Däne macht nicht nur einen guten Eindruck, sondern wirkt sympathisch und engagiert.

Sorgen müssen wir uns nicht um Schick machen, der verletzte sich für mehrere Wochen. Die Leihgabe Boniface nach Bremen wird nun vermisst. Als einziger Mittelstürmer steht der 19-jährige Neuzugang Kofane bereit, da auch Tella und Terrier verletzt sind. Dahinter besitzt Leverkusen mit Tillmann (Marktwert 32 Mio.), Ben Seghir (28 Mio.) und Maza (12 Mio.) hoch dotierte Optionen. Talent Poku könnte erneut eine Chance erhalten.

Hjulmand startete mit einem 3:1-Sieg gegen Frankfurt. Er setzt im zentralen Mittelfeld auf den konstanten Andrich, flankiert vom spielstarken Garcia. Auf links spielt Grimaldo, der beste Freistoßschütze der Liga. Rechts wurde der routinierte, 34-jährige ehemalige spanische Nationalspieler Vazquez verpflichtet, der sofort Stammspieler wurde. So etwas wünsche ich mir auch bei uns.

In der Defensive hat Leverkusen erheblich nachgelegt. Tapsoba (35 Mio.), Bade (25 Mio.) und Quansah (20 Mio.) sind die erste Wahl, ergänzt durch Belocian (15 Mio.) und das 18-jährige Supertalent Tape (von Paris SG). Die französische Sprache verbindet die Innenverteidiger bei Leverkusen. Als Torhüter verpflichteten sie Flekken (32 Jahre, 11 Mio. Ablöse) und Blaswich (Top-2-Kandidat, 2 Mio. Ablöse, wird im Frühjahr 35).

Das Champions-League-Spiel Eindhoven gegen Leverkusen endete 1:1, hat aber kaum Einfluss auf unser Spiel. Leverkusen hat noch genügend Optionen, neue Spieler einzusetzen. Andrich fehlte zuletzt wegen Fitnessproblemen, wird wohl wieder dabei sein. Das Mittelfeld von Leverkusen bleibt stark, auch wenn mit Palacios (40 Mio.) und Andrich wichtige Spieler fehlen. Fernandez und Garcia (Spanien) bilden das Zentrum.

Leverkusen investierte im Sommer insgesamt etwa 198,15 Millionen, während Einnahmen durch den Verkauf von Wirtz etwa 229,5 Millionen betrugen. Die Unterschiede zwischen den Clubs sind enorm, und bei den Werks- und Milliardärsklubs werden negative Jahresabschlüsse durch Konzerne ausgeglichen, was steuerlich zulasten der Gesellschaft geht. Mehr Ungerechtigkeit ist kaum vorstellbar.

Nun steht das Spiel gegen Leverkusen an – ein scheinbar übermächtiger Gegner. Interessanterweise spielten wir in dieser Saison bisher nur gegen die „Großen“ gut und punkteten. Es macht Sinn, die Tore aus dem Frankfurt-Spiel nochmal zu feiern. Mit dieser Einstellung sind wir auf keinen Fall chancenlos. Eisern.