St.-Pauli-Kapitän Irvine spricht über Berge, Führungsaufgaben und Vorwürfe wegen Antisemitismus
Flachau – Obwohl er Kapitän seiner Mannschaft ist, steht Jackson Irvine (32) derzeit nur am Spielfeldrand. Im Trainingslager kann er nur individuell trainieren und nicht mit dem Team gemeinsam auf dem Platz sein. Er erzählte, welche Bedeutung das für ihn hat und wie ihm die Bergkulisse bei seiner Genesung hilft.
„Ein solcher Ortswechsel bewirkt viel. Die Atmosphäre verändert sich – und das hat, ob man es glaubt oder nicht, einen Einfluss auf den Heilungsprozess“, sagte der 32-Jährige im Gespräch mit TAG24, während er auf den Sportplatz des USC Flachau blickte, der von beeindruckenden Bergen und einer herrlichen Landschaft umgeben ist.
In dieser Umgebung, „bei Sonne, mit den Jungs“ und der frischen Luft, falle es ihm besonders schwer, pessimistisch zu bleiben. Nach den langen Monaten in der Reha-Klinik und im Krankenhaus sei das einfach „eine ganz andere Stimmung“.
Auch er habe seine Belastungsgrenzen erreicht und manchmal gedacht: „Ich schaffe das niemals!“ Umso schöner sei es für den Kapitän, wenigstens abseits des Spielfelds dabei sein zu können.
Auch wenn er seine Führungsrolle nicht wie gewohnt auf dem Platz ausüben kann, nimmt er seine Verantwortung weiterhin wahr. „Was auf dem Feld passiert, liegt momentan nicht in meiner Hand. [...] Es ist eine gute Gelegenheit, abseits des Platzes über Dinge zu sprechen: Was für ein Team wollen wir sein, welche Werte setzen wir? Ich denke ohnehin gerne über das große Ganze nach – da passt das gut. Es ist ungewohnt, diese Rolle aus der Distanz zu übernehmen, aber ich habe tolle Leute um mich, die mich dabei unterstützen.“
Gleichzeitig nutzt er die Zeit, um „Barrieren abzubauen“ und die neuen Teammitglieder besser kennenzulernen. „Wir essen drei Mal täglich gemeinsam, verbringen viel Zeit im Kraftraum und bei der Regeneration. Das gibt mir die Chance, ihre Persönlichkeiten kennenzulernen – wer sie als Menschen und Spieler sind.“
Für den bei den Fans äußerst beliebten St.-Pauli-Spieler stehen Menschlichkeit und zwischenmenschliche Werte ohnehin immer an erster Stelle, betonte er mit Nachdruck.
Für den Mittelfeldspieler ist das auch eine Erklärung für die Aufregung um ein vermeintliches Pro-Gaza-Statement vor einigen Wochen.
Bei einem Konzert trug der Australier ein pinkfarbenes Trikot der „FC Palästina“. Dabei handelt es sich nicht um einen echten Fußballverein, sondern um eine Modemarke mit einer politischen Aussage. Das Logo auf dem Trikot zeigt das „Staatsgebiet“ Palästinas – inklusive des Gebietes Israels.
Ein Foto davon sorgte schnell für Diskussionen im Internet, einige Fans warfen dem Kiezkicker daraufhin Antisemitismus vor.
Diese Anschuldigung habe ihn „tief verletzt und getroffen“, gestand er. „Während meiner gesamten Zeit hier habe ich niemals irgendeine Form von Hass oder Diskriminierung gegenüber irgendeiner Gruppe gezeigt. Ich versuche stets, aus einer humanitären Sichtweise zu handeln.“
Er habe das Shirt nur als Zeichen der „Solidarität mit den Menschen in Palästina und Gaza getragen, die derzeit unermessliches Leid erleiden“.
„Das war ein kleiner, öffentlicher Ausdruck der Unterstützung für diese Menschen. Darauf sollte sich die Aufmerksamkeit richten – nicht auf ein Logo auf einem Shirt. Im Vergleich zu dem, was dort wirklich passiert, ist das nebensächlich“, so seine Stellungnahme.