Müller-Wohlfahrt übt scharfe Kritik am FC Bayern: "Dieser Vorfall hat mich tief erschüttert"
München – Über mehr als vier Jahrzehnte hinweg betreute Dr. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt (82) als Mannschaftsarzt die Topspieler des FC Bayern. Blickt er heute auf den Klub, so wählt der Mediziner eine schroffe Sprache – vor allem ein spezieller Vorfall hat bei ihm tiefe Narben hinterlassen.
In einem Gespräch mit dem "Merkur" ist Müller-Wohlfahrt der Meinung, dass das einstige "Mia san mia"-Gefühl der Vergangenheit angehört. "Heutzutage empfindet nur noch eine Handvoll Spieler diesen Spirit", so der ehemalige Teamarzt.
Ihm fehle zudem das ausgeprägte Zugehörigkeitsgefühl zahlreicher Akteure gegenüber dem Verein. "Früher glich der FC Bayern einer großen Familie, doch inzwischen entwickelt er sich zunehmend zu einem Großkonzern, bei dem die Spieler je nach Ablösesummen auf einer Werteskala eingestuft werden", erklärt der gebürtige Ostfriese.
Das authentische "Mia san mia" sei heutzutage am ehesten in den Fankurven zu spüren. "Dieses besondere Gefühl, das wir einst von unserem Rathausbalkon her kannten – jener Stolz auf unsere Mannschaft und die enge Gemeinschaft – vermisse ich in der aktuellen Spielerumgebung und im Umfeld des Vereins."
Am 16. April 2015 legte Müller-Wohlfahrt nach rund 38 Jahren als Teamarzt beim FC Bayern überraschend den Stethoskopbeutel nieder. Der damalige Münchner Cheftrainer Pep Guardiola (54) spielte hierbei eine entscheidende Rolle.
Er berichtet, dass er bereits unter Jürgen Klinsmann einmal dem Gedanken nachgegeben habe, den Dienst zu quittieren – damals jedoch vom FCB-Manager Uli Hoeneß (73) zum Bleiben bewegt wurde. "Mit Guardiola aber sah ich mich gezwungen zu handeln", erinnert sich Müller-Wohlfahrt. "Der schockierende Vorfall in Porto hat mich zutiefst getroffen. Angesichts meiner Verdienste hätte ich von der anwesenden Vereinsführung Unterstützung erwartet."
Hintergrund dieses Geschehens war, dass nach der Niederlage in Porto beim Champions-League-Viertelfinale 2015 der Teamarzt von Guardiola vor versammelter Mannschaft massiv kritisiert wurde und ihm vorgeworfen wurde, für die Vielzahl verletzt ausgefallener Spieler und damit für die Niederlage mitverantwortlich zu sein.
Im Jahr 2017 kehrte Müller-Wohlfahrt zum FC Bayern zurück, bevor er im Sommer 2020 endgültig seine Tätigkeit als Mannschaftsarzt beim deutschen Rekordmeister beendete. "Es waren vor allem menschliche Enttäuschungen, die mich tief trafen. Ich habe mich freiwillig von meiner Aufgabe als Vereinsarzt zurückgezogen – der Verein war über Jahrzehnte ein fester Bestandteil meines Lebens."
Eine offizielle Abschiedszeremonie fand jedoch nie statt. "Wissen Sie, wie oft ich von Mitgliedern des Vereins gefragt wurde, warum es keinen begeisterten Abschied mit Standing Ovations, Blasmusik, einem Geschenk, einem gemeinsamen Essen oder einer anderen Geste gegeben habe? Meine Antwort darauf: Diese Erklärung kann einzig der Verein selbst liefern", erklärt der 82-Jährige.
Tabelle 1. Bundesliga
Die Bundesliga-Tabelle hat folgende Bedeutung: Der Saisonfinalist auf Platz 1 wird Deutscher Meister. Die Mannschaften auf den Plätzen 17 und 18 steigen in die 2. Bundesliga ab. Der sechstletzte Platz (Position 16) sichert sich durch die sogenannte Relegation das Weiterkommen und muss in einem Entscheidungsduell gegen den Drittplatzierten der 2. Bundesliga den Klassenerhalt erkämpfen.