Rechte Gruppen im Fußball präsentieren sich zunehmend harmloser: „Es dreht sich nicht mehr um Glatzen und Springerstiefel“
Deutschland – Für unzählige Anhänger und Spieler in Deutschland ist Fußball nach wie vor die schönste Nebensache der Welt. Dennoch wird der Sport nach wie vor von Rechtsextremen instrumentalisiert. Die aktuelle ZDF-Dokumentation „Inside Fankurve – radikal und extrem“ richtet den Blick auf ein Problem, das sich von den untersten Spielklassen bis hoch zur Bundesliga erstreckt und dessen Erscheinungsbild sich dabei kontinuierlich wandelt.
„Wenn mir ein Schiedsrichter aus der Kreisliga erzählt, dass ein Kapitän mit einer schwarz-weiß-roten Binde antreten möchte, auf der 'Führer' steht, (...) dann ist das schon eine Herausforderung“, berichtet etwa die Amateur-Schiedsrichterin und SPD-Sprecherin Maja Wallstein (39) aus Mecklenburg-Vorpommern.
Nach Ansicht der 39-Jährigen fungiert Fußball als gesellschaftliches „Brennglas“, in dem sich gesellschaftliche Entwicklungen frühzeitig und deutlich abzeichnen – so auch in der rechtsradikalen Szene, in der solche Vorfälle inzwischen nur noch die Spitze des Eisbergs darstellen.
„Grundsätzlich haben wir in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten eine Veränderung im Rechtsradikalismus beobachten können: Weg von einem sehr martialischen Auftreten (...) hin zu einer anpassungsfähigen, unauffälligeren Erscheinung“, erklärt Professor Ulf Bohmann (45) von der TU Chemnitz.
Das bestätigt auch der Nazi-Aussteiger Philip Schlaffer (47), der lange Zeit in der Fanszene des VfB Lübeck aktiv war: „Es geht nicht mehr um Glatze und Springerstiefel, es wird moderne Musik gehört, man kleidet sich zeitgemäß und präsentiert sich etwas freundlicher. Die Rückbesinnung auf das Dritte Reich und die Verherrlichung Adolf Hitlers sind nicht mehr der Fokus.“
Der Rechtsextremismus im Fußballumfeld versucht zunehmend, in die gesellschaftliche Mitte vorzudringen – ein Aspekt, der von vielen Vereinen oft unterschätzt wird. Dabei spielen soziale Medien für die Verbreitung eine immer größere Rolle, so der 47-Jährige weiter.
Diese Erfahrung musste auch der SK Bochum aus der Kreisliga machen: Als sich der Verein gegen einen Spieler des späteren Gegners WSV Bochum stellte, der unter anderem einen Geburtstagsgruß an Adolf Hitler samt Bild des Buches „Mein Kampf“ geteilt hatte, fluteten Hasskommentare das Netz.
Obwohl der WSV den Spieler schließlich ausschloss, wurden seine Verfehlungen offenbar nicht allzu streng bewertet. „Im Verein hat er sich ja nichts zuschulden kommen lassen“, erklärt Klubvorstand Manfred Kirschenstein in der Doku.
Einige Spielklassen höher, beim Chemnitzer FC, gab es in den letzten Jahren mehrfach Vorfälle mit rechtsradikalem Hintergrund. „Ich habe hier miterlebt, wie Menschen diskriminiert und ausgegrenzt wurden, zum Teil sogar gewalttätig angegriffen“, berichtet Felix Müller vom Bündnis „CFC-Fans gegen Rassismus“.
Auf Nachfrage des ZDF distanzierte sich der Regionalligist zwar von jeder Form von Extremismus, für ein Interview stand der Club jedoch nicht zur Verfügung.
Die komplette Dokumentation ist ab Montag, 24. November, in der ZDF-Mediathek abrufbar und wird zudem am 4. Dezember um 18 Uhr auf ZDFinfo ausgestrahlt.