Ex-Magdeburger wartete darauf, dass seine Ehefrau einschläft, „damit sie mich nicht hemmungslos weinen sieht“
Magdeburg/Italien – Im Sommer 2022 wechselte Cristiano Piccini (33) zum 1. FC Magdeburg und erlebte trotz einiger Verletzungen anderthalb durchaus erfolgreiche Jahre an der Elbe. Doch die schwierigste Zeit hatte der italienische Verteidiger zu diesem Zeitpunkt bereits hinter sich.
„Ich verbrachte Nächte damit, darauf zu warten, dass meine Frau einschläft, damit sie mich nicht hemmungslos weinen sieht“, berichtete der 33-Jährige im Gespräch mit der „Gazzetta dello Sport“ über die Herausforderungen seines Lebens als Fußballprofi.
Über viele Jahre hinweg kämpfte der Rechts- und Innenverteidiger während seiner wechselvollen Karriere mit Depressionen.
2014 wechselte Piccini als vielversprechendes Talent zu Betis Sevilla – allerdings zu früh, wie er heute zugibt. „Ich verließ meinen Stammverein noch als Jugendlicher. Hier und da ein Drink, eine Zigarette im Mund. Alles wurde auf Twitter breitgetreten und ich wurde zerrissen, weil ich nicht als Profi galt – und sie hatten Recht, ich war damals tatsächlich noch kein Profi“, erinnerte er sich.
Hinzu kam ein Kreuzbandriss, der dazu führte, dass die Anhänger ihn abschrieben. Nach seiner Rückkehr erzielte er ein Tor gegen Leganés und feierte es in Richtung der Fans mit den Worten „Haltet die Klappe, ihr Hurensöhne“. Ein Lippenleser entlarvte ihn, was das Verhältnis zu den Fans endgültig zerstörte.
Besonders die Kommentare in den sozialen Medien belasteten Piccini, der zeitweise sogar Schwierigkeiten hatte, seinen eigenen Namen zu akzeptieren.
„Als ich dann bei Sporting unterschrieb, galt ich bereits als schlechter Spieler, noch bevor ich in Lissabon angekommen war. Die Betis-Fans schrieben und die Sporting-Fans lasen mit“, erklärte der dreifache italienische Nationalspieler.
Weitere Verletzungen und unglückliche Transfers verschärften die Situation: „Depressionen, Fehler, Schmerz, Verzweiflung“, fasste Piccini zusammen. „Man fühlt sich wie im Himmel – und plötzlich ist man am absoluten Tiefpunkt.“
Unterstützung fand er bei seinem Yoga-Lehrer, im Schreiben seines Tagebuchs, das später zur Grundlage für seine Biografie wurde, sowie im Wechsel nach Magdeburg.
„Ich wechselte in die zweite deutsche Liga, nach Magdeburg – ich hatte nicht einmal eine Ahnung, wo das liegt“, schilderte der Defensivspieler. „Es waren die besten anderthalb Jahre meiner Karriere.“
Die räumliche Trennung belastete jedoch die Familie, weshalb er 2024 noch einmal nach Italien zurückkehrte, bevor er im September endgültig seine Fußballschuhe an den Nagel hing.
„Ich wurde Fußballer – das war mein Kindheitstraum. Ich spielte in vielen Ländern, in dreizehn Städten, lernte fünf Sprachen. Ich habe den Schmerz erlebt und akzeptiert, ich hatte Depressionen und habe sie überwunden“, blickte Piccini zurück. „Vielleicht können meine Erfahrungen anderen helfen.“