Harte Kritik an Tour-de-France-Favoriten: „Es passiert überhaupt nichts“
Le Mont-Dore (Frankreich) – Bei der aktuellen Tour de France steht wohl außer Frage, dass Tadej Pogačar (26) zum vierten Mal den Gesamtsieg erringen wird. Von seinem Dauerrivalen Jonas Vingegaard (28) hingegen verliert man immer mehr den Glauben – aus Dänemark kommt nun deutliche Kritik an dem zweimaligen Gewinner der Frankreich-Rundfahrt.
Obwohl Pogačar auf der zehnten Etappe das Gelbe Trikot an Ben Healy (24) abgeben musste, konnte Vingegaard keine Zeit auf ihn gutmachen. Beide Fahrer überschritten die Ziellinie gleichzeitig, gaben sich danach ein Highfive, und Vingegaard erklärte vor den Kameras, er sei extrem gut gefahren.
Für Bjarne Riis (61), ebenfalls ehemaliger Tour-Sieger (1996) und Landsmann von Vingegaard, ist dieses Verhalten kaum nachvollziehbar.
„Man kann nicht einfach behaupten, es läuft super, und dabei komplett auf Angriffe verzichten. Meiner Meinung nach ist das ein Fehler“, kritisierte der Däne in seiner Kolumne für die Zeitung BT und fand dabei klare Worte: „Noch hohler klingt es, wenn das Team Visma [Vingegaards Rennstall Visma-Lease a Bike, Anm. d. Red.] ankündigt, dass die Etappe verrückt und spektakulär wird – und am Ende passiert kein einziger Furz.“
Riis bemängelte, dass Vingegaard am letzten Anstieg ständig dicht hinter Pogačar blieb, anstatt selbst aktiv zu werden und anzugreifen – „gerade er ist es doch, der Zeit gutmachen muss“, so der 61-Jährige.
Im Gesamtklassement liegt Vingegaard momentan 1:17 Minuten hinter Pogačar.
Für das Ausbleiben von Angriffen hat Riis auch eine Erklärung parat: „Es sieht so aus, als fehle ihm der Mut“, erläuterte er.
Offenbar scheue Vingegaard davor zurück, eine Attacke zu wagen und zu riskieren, dass sie scheitert: „Der einzige nachvollziehbare Grund, warum Jonas nicht attackiert hat, ist, dass er sich nicht blamieren wollte.“
Das sei zwar verständlich, doch dann solle Vingegaard sich nach dem Rennen auch nicht damit brüsten, wie stark er gefahren sei.
„Fakt ist, dass Tadej die Kontrolle komplett in der Hand hatte“, zog Riis das Fazit und sieht Pogačar derzeit als nahezu unschlagbar an.
Was Vingegaard jedoch in der zweiten Hälfte der Tour nutzen könnte, ist der verletzungsbedingte Ausfall von Pogačars wertvollem Helfer João Almeida (26). Der Portugiese wäre insbesondere auf den noch kommenden Bergetappen eine wichtige Stütze gewesen.