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Von Dresdens Norden bis ins südliche Afrika: Das Leben einer radbegeisterten Auswandererfamilie

Dresden/Windhuk – Die Großmanns aus dem Dresdner Stadtteil Langebrück sind vor drei Generationen nach Namibia ausgewandert und leben heute in der Hauptstadt Windhuk. Die passionierte Fahrradfamilie hinterlässt deutliche Spuren in einem Land, das einst deutsche Kolonie war und zu etwa zwei Dritteln von Wüstenlandschaft geprägt ist.

Jedes Jahr Anfang Dezember ist die Familie beim "Desert Dash" mit von der Partie – einem 401 Kilometer langen Mountainbike-Rennen quer durch die Namib-Wüste.

Dieses Rennen, das von Windhuk bis zur Atlantikküste in Swakopmund führt, stellt für Radsportler eine absolute Herausforderung dar: Innerhalb von 24 Stunden gilt es, die Strecke zu bewältigen.

Seit der ersten Austragung begleiten die Großmanns das Event wie eine familiäre Entwicklung. Mutter Monika (54) hat sich in der lokalen MTB-Szene längst einen Namen gemacht. Beim Desert Dash, der prestigeträchtigsten Veranstaltung des Landes, startet sie nun bereits zum 21. Mal – als einzige Frau und damit Rekordhalterin.

Sie kennt jede Strecke, jedes Hindernis und jede Ecke, an der die Hitze den Atem raubt.

Ihr Ehemann Kai (59) stammt ursprünglich aus Langebrück. Nach der Wende zog er zunächst in den Schwarzwald, wo er sein erstes Mountainbike kaufte und Monika kennenlernte.

Seine Liebe führte ihn schließlich nach Namibia. Monika wurde dort geboren, wuchs auf einer Farm auf und besuchte ein deutsches Internat. Ihre Eltern kamen ursprünglich aus Thüringen und dem heutigen Polen (Schlesien) und wanderten nach dem Krieg nach Afrika aus.

Die dritte Generation bilden die Zwillinge Steffie und Timmo, die 1999 in Namibia zur Welt kamen. Beide teilen die Leidenschaft fürs Mountainbiken und standen bereits mit sechs Jahren bei der ersten Desert-Dash-Ausgabe 2005 unterstützend an der Strecke, später saßen sie selbst auf dem Rad.

Wie viele Namibianer mit deutschem Hintergrund zog es die Geschwister zeitweise nach Europa.

Timmo (26) ging mit 18 Jahren nach Dresden, der Heimat seines Vaters, absolvierte dort eine Ausbildung in einem Fahrradladen und blieb anschließend beruflich vor Ort. Im Jahr 2024 kehrte er aus Heimweh und mit einem Jobangebot als Leiter der Fahrradabteilung in Windhuk nach Namibia zurück.

Steffie hingegen lebt momentan in Österreich, um ihre Begeisterung für Mountainbike-Enduro und Downhill weiter zu verfolgen.

Wie fühlt es sich an, als Sachse nach Namibia auszuwandern? Kai berichtet von Wind, Sonne und der Stille unter einem scheinbar grenzenlosen Himmel, von Staub und endlosen Straßen sowie einer Tier- und Pflanzenwelt voller Gegensätze – ebenso wie der Kontrast zwischen Armut und Reichtum.

Obwohl er nicht mehr zurückkehren möchte, hält Kai die Verbindung zu Dresden aufrecht und besucht regelmäßig seine Familie – stets auch inspiriert von den Erzählungen rund um den Desert Dash. So wird die Geschichte der Großmanns zu einer Brücke zwischen dem südlichen Afrika und dem deutschsprachigen Europa.

Am Freitag, dem 5. Dezember, dem Tag des Desert Dash, herrschten draußen 30 Grad im Schatten. Im klimatisierten Parkhaus dagegen versammelten sich zahlreiche Starter, die sich auf die bevorstehende Herausforderung vorbereiteten.

Der Desert Dash ist kein gewöhnliches Rennen. Er stellt eine Prüfung des Durchhaltevermögens dar und ist zugleich ein Ereignis für die Familie, die an diesem Tag als Einheit agiert: Monika und Kai am Start, Timmo mit Last-Minute-Reparaturen im Fahrradgeschäft und an einer Servicestation entlang der Strecke – auch für die vielen internationalen Teilnehmer – alle verbunden durch den Geist des Rennens.

Was macht diesen Mythos so einzigartig? Die gnadenlose Hitze, die enorme Distanz und Einsamkeit der Route, die Nacht, in der die Radlampen wie funkelnde Sterne erscheinen, die ständigen Höhenmeter sowie die Gemeinschaft mit Gleichgesinnten, die Mut und Kraft schenken.

Die Geschichte der Großmanns ist eine Erzählung von familiärem Zusammenhalt und dem Überwinden von Grenzen. Mut, Leidenschaft, Offenheit für Neues, Beständigkeit und die Verbundenheit zu zwei Kulturen prägen ihr Leben, das beruflich gesehen ganz "normal" verläuft.

Kai arbeitet in der Industrie, Monika ist Radiologin. Für die beiden ist der Desert Dash weit mehr als nur ein sportlicher Wettkampf – es ist eine Lebenshaltung: Wer sich traut, gewinnt. Meist nicht als Erster, sondern als Teil einer Familie, die zusammenhält, wenn der Staub sich legt und der Atlantik lockt. Das Ergebnis tritt in den Hintergrund, denn gemeinsam haben sie gesiegt.